Europäischer Tag der jüdischen Kultur 2025 - Lesung
07. September 2025, 13:30 Uhr
Bödigheim. Zwischen hohen Bäumen und verwitterten Steinen erzählt der jüdische Friedhof in Bödigheim eine Geschichte, die Jahrhunderte umspannt. Führungen geben Einblick in dieses wichtiges Kapitel der Regionalgeschichte – und halten die Erinnerung wach.
Am Sonntag, dem europaweiten Tag der jüdischen Kultur, fanden sich zahlreiche Interessierte zu einer solchen Führung auf dem Friedhof ein. Stadtarchivar Tobias-Jan Kohler gab dabei nicht nur Einblicke in die Geschichte des Friedhofs, sondern führte die Besucher auch zu einigen bereits übersetzten Gräbern und erläuterte die Geschichte der dort begrabenen Menschen, wie beispielsweise die eines angesehenen Rabbiners oder jüdischer Soldaten, die im Ersten Weltkrieg gefallen waren.
Da ein jüdischer Friedhof als „Haus der Ewigkeit” gilt, werden Tote dort in unberührter Erde bestattet, und Gräber werden nicht neu belegt. Und da auch Grabsteine nicht entfernt werden dürfen, befinden sich heute noch 1573 erhaltene Grabsteine auf dem Friedhof.
Insgesamt sind dort etwa 3000 bis 4000 Menschen auf einer Fläche von 140 Ar bestattet. Damit gilt der Friedhof in Bödigheim als einer der größten in Baden. Als zentrale Begräbnisstätte hat er außerdem ein weitreichendes Einzugsgebiet, das von Angeltürn im Osten bis Strümpfelbrunn im Westen und von Walldürn im Norden bis Sennfeld im Süden reichte.
Die ältesten Spuren reichen zurück bis ins späte Mittelalter oder die frühe Neuzeit. Der älteste noch vorhandene Grabstein datiert auf das Jahr 1628, die erste schriftliche Erwähnung des Friedhofs findet sich 1639. Die letzte Bestattung fand 1939 statt. Damit ist der Friedhof ein bedeutendes Zeugnis jüdischen Lebens in der Region.
Inzwischen sind etwa 200 bis 300 Grabsteine übersetzt. Die Inschriften geben Auskunft über die dort Bestatteten. Verfasst sind sie ursprünglich auf Hebräisch und ab dem 19. Jahrhundert meist auch in der Landessprache Deutsch.
Auf den Grabsteinen finden sich Informationen wie der Name, die Lebensdaten, der Herkunftsort oder die Familienverhältnisse. Längere Inschriften enthalten auch Eulogien, also ehrende Lebensbeschreibungen der Verstorbenen. Oftmals findet man auf den Grabsteinen den Satz: „Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens.“
Viele weitere Grabsteine warten jedoch noch auf die Entzifferung. Auch bleiben nach wie vor viele Fragen offen, etwa zu Menschen, die auf dem Friedhof in Bödigheim bestattet wurden, jedoch eigentlich weit entfernt gelebt hatten.
Die Stadt Buchen pflegt den Friedhof nach Möglichkeit, beispielsweise durch Mäharbeiten oder die Restaurierung der Gräber. Dies geschieht jedoch in Absprache mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, die Eigentümer des Friedhofs ist. Der jüdische Friedhof in Bödigheim ist also nicht nur eine Stätte der Trauer, sondern auch ein bedeutendes kulturhistorisches Denkmal für die Juden, die hier über Jahrhunderte ihre letzte Ruhe fanden.
Dieser Bericht von Jana Tüschel erschien erstmals am 11.09.2025 in Rhein-Neckar-Zeitung