Zeitzeugin Prof. Goodman-Thau gestaltet Buchener Gedenkveranstaltung
Von Adrian Brosch
Ein bewegendes Innehalten im Hoffen an eine menschlichere Weltgesellschaft: So lässt sich die traditionelle Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht beschreiben, die am Dienstag statfand. In der Gedenkstätte für alle Opfer des Nationalsozialismus konnte auch Prof. Dr. Dr. h.c. Eveline Goodman-Thau begrüßt werden, die mehrere Jahre nicht in Buchen weilte – ein Wiedersehen, das unter die Haut ging.
Bürgermeister Roland Burger leitete die Zusammenkunft ein. Er bezog sich auf die erschreckende Tatsache, dass viele Demokratien in aller Welt unter großer Bedrängnis stehen: „Hat die Welt nichts gelernt?“, lautete die entsprechende Gegenfrage. Angesichts der Kriege in der Ukraine, in Israel und im Gazastreifen, im Libanon sowie in weiteren Regionen der Erde übe man sich zusehends in Ratlosigkeit. Gleichwohl wolle man den 9. November geschichtsträchtige Zeitmarke nicht außer Acht lassen – es handele sich um einen Schicksalstag: Sowohl der Beginn der ersten deutschen Republik als auch der Fall der Mauer sowie die Reichspogromnacht fallen auf ihn. Den 9. November 1938 bezeichnete Burger als „Vorboten dessen, was einen furchtbaren Lauf nehmen sollte und im millionenfachen Mord am jüdischen Volk und anderen Minderheiten endete“. Gemeinsam sei man nun zusammengekommen, um der grausamen Ereignisse und ihrer Opfer zu gedenken – ein vor allem angesichts erneut aufkeimender antisemitischer Tendenzen in Deutschland und vor dem Hintergrund der Eskalationen in Nahost für Beklemmungen sorgender Moment.
Abschließend erinnerte er an die Deportierten aus Buchen und den Stadtteilen: Er nannte Albert und Jakob Bär, Albert, Helena und Hedwig Oppenheimer (Buchen), Edwin, Philipp Ferdinand und Stefanie Haas, Max und Rosa Neumann (Bödigheim), Abraham und Ida Haugewitz sowie Abraham und Janette Steinhardt (Eberstadt), Frieda Hirschberger, Karolina, Klara und Sofie Hofmann sowie Abraham und Emma Neuberger (Hainstadt). Auch die bereits 1938 ermordete Susanna Stern (Eberstadt) und den durch Suizid in Vereinsamung zu Tode gekommenen Heimatdichter Jakob Mayer sowie die vor 1940 weggezogenen und von späteren Wohnorten aus deportierten Juden – Julius Maier, Friederike Oppenheimer, Adolf, Sara und Selma Strauß sowie Marie Wolf – wurden genannt. Die Aufmerksamkeit galt ebenso den 18 namentlich erfassten Euthanasieopfer aus Buchen und Umgebung Leo Eschwig, Karl und Otto Fertig, Anna Herkert, Bertha Jung, Maria Emma Mehl, Hugo Basilius Menstell, Ida von Molitor, Gertrude Sophie Münch und Alfred Wittemann aus Buchen, Amalie Baumann und Marie Edelmann aus Götzingen, Ludwig Heinrich Waltenberger und Max Reber aus Hainstadt, Alois Bachert aus Hettingen, Elisabeth Geier aus Hollerbach, Berta Bechtold aus Rinschheim sowie August Johann Egenberger aus Waldhausen. Diesbezüglich lobte Burger die segensreiche Forschungs- und Aufklärungsarbeit des Vereins „Bezirksmuseum Buchen“.
Nun kam Prof. Dr. Dr. h.c. Eveline Goodman-Thau zu Wort. Kürzlich 90 Jahre alt geworden, bezeichnete die Gründerin und Direktorin der Hermann-Cohen-Akademie es als „wunderbar, wieder in Buchen sein können“. Es sei wichtiger denn je, zusammen zu stehen und sich in Zusammenhalt zu üben. Was in der Welt geschehe, bezeichnete sie als Katastrophe: „Jemand muss sagen, dass es so nicht weitergehen kann“, bemerkte sie. Möglicherweise könne Gott diese Person sein: In starker, andachtsvoller Atmosphäre zitierte sie aus einem Psalm, der die Besucher zum Nachdenken animierte. Abschließend kam sie auf einen Umstand zu sprechen, der mit ihrem Alter in enger Verbindung steht: Es sei auch für sie selbst tragisch, reich an Jahren noch immer Krieg, Unfriede und Unrecht mit ansehen zu müssen. Der Abend wurde an andere Stelle fortgesetzt: Im Klösterle referierte Prof. Dr. Dr. h.c. Eveline Goodman-Thau zum Thema „Mensch bleiben in finsteren Zeiten“.
Der Beitrag wurde zuerst in der Rhein-Neckar-Zeitung Ausgabe Nr. 258 vom 7. November 2024 veröffentlicht.